Das vermeintliche Geschenk der Großen Koalition in Berlin an die Bauern kam bei den ostfriesischen Landwirten gar nicht gut an. Eine Milliarde Euro verteilt auf vier Jahre soll die Landwirte in Deutschland bei der Umsetzung der Düngemittelverordnung unterstützen. Bei einer Treckerdemo bezeichneten die Bauern in Aurich das Geld als "Schweigemilliarde". Fotos: Gronewold
Um kurz vor 14 Uhr versammelten sich die ersten Landwirte an der Julianenburger Straße.
Sie hatten nach Angaben von Ricklef Ebeling (links) und Ralf Siede aus Middels ihre Arbeit spontan stehen lassen, um ihren Unmut kundzutun. Was es lange nicht mehr gegeben habe, erreiche die Düngemittelverordnung: Vom Ackerbauern über den Schweinerzüchter bis zum Milchbauern herrsche große Einigkeit.
Um kurz nach 14 Uhr kam eine große Zahl Landwirte aus Riepe, Ochtelbur, Bangstede und Simonswolde hinzu. Wenig später tauchte noch eine Gruppe aus dem Bereich Großefehn auf.
In drei Reihen parkten zuletzt 32 Traktoren an beiden Rändern und auf der Mitte der Julianenburger Straße.
Es kam zu leichten Verkehrsbehinderungen. Der Verkehr rollte aber langsam weiter.
Die Polizei vor Ort lobte die Umsicht der Landwirte. Ein Radfahrer habe allerdings eine Anzeige gegen einen Treckerfahrer angedroht. In Norden hatte die Demo größere Folgen für die Verkehrsteilnehmer. Laut dortiger Polizei sorgten 67 Traktoren auf dem Weg zum Abgeordnetenbüro des Bundestagsabgeordneten Johann Saathoff (SPD) dafür, dass der Burggraben 15 Minuten lang voll gesperrt wurde.
Die Bauern fühlen sich von der Politik nicht ernst genommen. Statt Almosen fordern sie eine zielführende Agrarpolitik.
In Aurich machten die Demonstranten eine Rechnung auf: Nehme man die Milliarde, um die Strafzahlungen zu begleichen, würde das genau 3 Jahre und 2 Monate ausreichen. Die gewonnene Zeit müsse genutzt werden, um aktuelle repräsentative EU-weit einheitliche Messverfahren zu etablieren und die gewonnen Daten nach Brüssel zu melden.
Auf Basis dieser aktuellen Daten müsse "ein sauberes zielführendes Konzept, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, erarbeitet werden, so der Verein Land schafft Verbindung. Weiter müsse erforscht werden, ob die Landwirtschaft tatsächlich Verursacher der zu hohen Nitratbelastung der einzelnen Brunnen sei.
Die Bauern forderten Hilfen, die auch bei den kleinen, wirtschaftenden Höfen ankommt, statt einen schnell gestrickten Hilfspaket, dass vor allem größeren Höfen sowie Landeigentümern aus ganz anderen Branchen zugutekommt.
In Middels liege die Messstelle beispielsweise 300 Meter neben dem Friedhof, sagte Ricklef Ebeling. Es müsse geprüft werden, ob sie reelle Werte liefere und ob diese allein auf Landwirtschaft zurückzuführen seien.
Udo Haßbargen (vorne, rechts) vom Verein „Land schafft Verbindung“ überreichte vorm Büro des Auricher Landtagsabgeordneten Wiard Siebels (SPD) eine Stellungnahme an dessen Mitarbeiterin Dita Bontjer und den SPD-Stadtverbandsvorsitzenden Sebastian Schulze (links).
Siebels sicherte zu, das persönliche Gespräch mit den Auricher Landwirten zu suchen. Als diese abrückten, kündigten sie an, bald wiederzukommen. Im Anschluss an die Demo ging es zum Kaffeetrinken zum Edeka-Markt. Erst Anfang der Woche hatten die Landwirte beim Edeka-Auslieferungslager in Hesel demonstriert. Anlass war eine Werbekampagne von Edeka Minden-Hannover gewesen. Die Landwirte differenzierten in Aurich aber zwischen den Märkten vor Ort, die regionale Produkte anbieten, und der preisdrückenden Einkaufsstrategie des Edeka-Konzerns.
Auch in Emden, Leer, Norden und Jever gab es am Donnerstag Protest gegen "die Schweigemilliarde" aus Berlin. In Emden sammelten sich die Bauern auf der Großen Straße und gingen zum Wahlkreisbüro des Landtagsabgeordneten Matthias Arends (SPD). Foto: privat