Tokio (dpa)

„Langen Atem haben“: Deutscher Rio-Fehlstart als Hypothek

Andreas Schirmer, dpa
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Von Andreas Schirmer, dpa
| 23.07.2021 10:12 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Die Angst, längere Zeit bei den Tokio-Spielen hinter den ersten Medaillen hinterherzulaufen, will der deutsche Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig gar nicht aufkommen lassen.

Der historische Fehlstart des deutschen Teams bei den Olympischen Spielen in Rio ist nicht vergessen - auch wenn es durch die Verlegung der Tokio-Spiele schon fünf Jahre her ist.

An den ersten drei Tagen gab es keine Medaillen, seit der deutschen Wiedervereinigung war das nicht mehr geschehen. „Wir steigen in die Spiele mit langem Atem und Geduld ein“, sagte Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig angesprochen auf diese brasilianische Hypothek und baut vor: „Olympische Spiele werden über zwei Wochen ausgetragen und wir bewerten sie nicht zwischendurch, sondern nach ihrem Abschluss.“

Immerhin werden am Wochenende schon 23 der 339 Wettbewerbe laufen, bei denen die Athleten des Team D je nach Auslosung an 15 bis 17 beteiligt sein werden. Ob die 2:4-Niederlage der deutschen Fußballer einen Tag vor der Eröffnungsfeier ausgerechnet gegen Brasilen, dem Olympia-Gastgeber von 2016, nicht ein böses Omen ist? Vielleicht beendet aber Säbelfecht-Ass Max Hartung schon am Samstag auf Anhieb mit präzisen Hieben und Stichen eine mögliche Auftaktpleiten-Debatte.

Vorhersagen schwierig

„Wenn es gut läuft freuen wir uns. Wenn nicht, dann werden wir beharrlich an den Plänen für die verschiedenen Sportarten festhalten“, betonte Schimmelpfennig. Konkrete Vorhersagen zum möglichen Abschneiden seien nach 18 Monaten Pandemie, auch wegen der Absage zahlreicher Wett- und Titelkämpfen, kaum möglich. Es seien „Spiele, die einen gewissen Grad an Ungewissheit“ hätten.

„Wir haben Athleten, die ihre Ziele haben“, sagte er. „Wir werden es nicht an Medaillen-Zahlen festmachen und haben keine Vorgaben. Die hatten wir schon in Rio und bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang nicht gehabt.“ Auf die Motivation der Athleten hätte dies ohnehin „überhaupt keinen Einfluss“. Dennoch dürfte am Olympia-Schlusstag die deutsche Bilanz mit denen der Vergangenheit verglichen werden: Mit der von Rio, wo 42 Medaillen (17 Gold/10 Silber/15 Bronze) gewonnen wurden, und den 42 (11/20/13) von London 2012.

Athleten mit hohen Zielen

Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Teamchef in Tokio, will nicht zu viel Pessimismus aufkommen lassen. „Wer die Athleten kennt, weiß, dass sie nicht nur nach Tokio reisen, um dabei zu sein, sondern um eigene schöne Erfolge zu erzielen“, sagte er. Bestätigt wird das von Laura Ludwig, die mit Patrick Hausding bei der Eröffnungsfeier am Freitag als Fahnenträgerduo das deutsche Team anführt, und danach mit Margareta Kozuch im Beachvolleyball um eine Medaille pritschen wird. „Olympia ist einfach Olympia. Da sind alle Athleten, die seit vier, fünf Jahren daraufhin arbeiten, dass sie da die beste Performance liefern.“

Eine Garantie für Erfolg oder einen Medaillengewinn ist das nicht, nicht nur zu Corona-Zeiten. „Es gab Wettkämpfe, bei denen ich mit einer Superleistung oben gelandet bin, aber es gab auch Wettkämpfe, bei denen eine Superleistung nicht zu einem Podestplatz gereicht hat“, erklärte ihr Fahnenträger-Partner Hausding vor seinem vierten Olympia-Start im Wasserspringen. „Man kann keine Prognosen abgeben, am Ende entscheidenden Millimeter und Millisekunden.“

Keinen Extra-Druck als Retter der deutschen Schwimmer will sich 1500-Meter-Weltmeister Florian Wellbrock machen, nachdem 2012 und 2016 keine Medaille aus den Olympia-Becken gefischt wurden. „Das bürde ich mir nicht auf“, sagte der 23-jährige Bremer im Interview mit „Der Welt“ (Samstag). „Ich bin meiner Meinung nach gar nicht dafür verantwortlich, den Schwimmverband jetzt wieder aus dem Quark zu ziehen und in ein besseres Licht zu rücken.“

© dpa-infocom, dpa:210723-99-490098/2

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